Gewalt während der Geburt
Gewalt während der Geburt– ein Thema, das tief berührt und doch oft im Verborgenen bleibt. Am Roses Revolution Day legen Frauen weltweit Rosen vor Kreißsäle. Diese Geste ist ein stilles, aber starkes Symbol. Sie steht für das Erlebnis, das persönliche Grenzen während der Geburt überschritten wurden – oft in einem Moment größter Verletzlichkeit. Sie machen aufmerksam auf ihre erlebte Gewalt unter der Geburt und Roses Revolution Day ist der Anlass dafür. Für viele Frauen bedeutet dieser Tag, endlich Gehör zu finden. Es ist nicht nur ein Gedenktag, sondern auch ein Aufruf: Hinzusehen. Hinhören. Darüber sprechen.
Fachkräfte im peripartalen Bereich wissen: Eine Geburt kann für Frauen die tiefste und emotionalste Erfahrung ihres Lebens sein. Aber was, wenn sich diese Erfahrung in ein Trauma verwandelt, weil persönliche Grenzen nicht überschritten wurden? Hebammen, Doulas, Gynäkologen sowie Gynäkologinnen und Therapeuten bzw. Therapeutinnen – wir alle spielen eine entscheidende Rolle in der Geburtsbegleitung. Doch wie können wir sicherstellen, dass jede Frau die respektvolle Geburtserfahrung erhält, die sie verdient?
Die Sicht der Frauen: Verletzlichkeit und Grenzüberschreitungen
Für Frauen, besonders bei der ersten Geburt, ist vieles neu. Sie wissen oft nicht genau, was ihnen während der Geburt guttut (Thema: Geburtsplan erstellen), wie sie auf Schmerzen reagieren werden und welche Unterstützung sie brauchen. Sie sind in diesem Moment auf Personal angewiesen – auf eine achtsame Begleitung, die ihnen Raum gibt, sich zu entfalten und ihre Bedürfnisse zu entdecken. Doch was passiert, wenn diese Bedürfnisse nicht erkannt werden? Wenn Kommunikation nicht gut gelingt und Grenzen überschritten werden, vielleicht unabsichtlich, aber dennoch schmerzhaft? Vielleicht weil das Wohl des Kindes an erster Stelle steht, aber dennoch tiefgreifend. Diese Momente können Verletzungen hinterlassen – physisch und emotional.
Ich lade uns als Fachkräfte ein, darüber nachzudenken: Wie oft erleben wir Situationen, in denen Frauen vielleicht nicht klar ihre Bedürfnisse äußern können, weil die Geburt sie überfordert? Wie oft haben wir die Chance, innezuhalten und wirklich hinzuhören?
Die Herausforderung der Hebammen und des geburtshilflichen Personals
Hebammen und Ärzte/Ärztinnen arbeiten oft unter immensem Druck. Hebammen in den Kreißsälen betreuen nicht selten mehrere Frauen gleichzeitig. Jede Frau bringt ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Erwartungen mit. Während die eine Frau viel Ansprache, Zuspruch und Anleitung braucht, zieht sich die nächste zurück, um nach innen zu horchen und für sich zu sein. Vielleicht wünscht sie sich so wenig Kontakt wie möglich. Und genau hier besteht die große Herausforderung.
Hebammen und geburtshilfliches Personal müssen diese unterschiedlichen Bedürfnisse in kürzester Zeit erkennen. Es erfordert eine hohe empathische Flexibilität, um die Bandbreite der Emotionen und Erwartungen zu verstehen – von Vertrauen, das sofort da ist, bis hin zu Skepsis, die überwunden werden muss.
Doch wie oft müssen sie zwischen Kreißsälen wechseln, sich auf eine andere Frau einstellen und schnell die Verantwortung übernehmen? Wie oft erleben wir Situationen, in denen Frauen sich missverstanden fühlen – nicht, weil wir sie nicht sehen wollen, sondern weil die Zeit fehlt? Hier kommt ein Gedanke ins Spiel: Haben wir genug Raum und Ressourcen, um wirklich allen gerecht zu werden?
Hebammengeleitete Kreißsäle – eine Antwort?
In hebammengeleiteten Kreißsälen kann dieser Druck gelindert werden. Hier übernehmen Hebammen die eigenverantwortliche Betreuung, ohne ständige ärztliche Aufsicht. Die Geburt wird zu einem persönlichen Prozess, bei dem die Hebamme kontinuierlich an der Seite der Frau bleibt. Das ermöglicht nicht nur eine intensivere Betreuung, sondern schafft auch Vertrauen. Die Frau fühlt sich gesehen, gehört und respektiert. Wenn nötig, kann eine Kollegin zur Unterstützung gerufen werden, was den Stress für die betreuende Hebamme reduziert.
Dieses Modell könnte eine wichtige Antwort auf den Personalmangel und die Überforderung im geburtshilflichen Alltag sein. Mehr zum Hebammengeleiteten Kreißsaal.
Roses Revolution Day: Ein Zeichen setzen
Frauen, die erlebte Gewalt unter der Geburt und Roses Revolution Day nutzen, um eine Rose niederlegen, tun dies oft, um Gehör zu finden. Es ist ein erster Schritt, ihre Erfahrungen sichtbar zu machen. Manchmal legen sie auch Briefe dazu, die ihre Geschichte erzählen. Dieser Akt kann für betroffene Frauen heilsam sein. Auch wenn der persönliche Austausch vielleicht die direkteste Möglichkeit darstellt, die belastende Situation während der Geburt zu reflektieren- nicht jede Frau wagt diesen Schritt – vielleicht, weil die Verletzung zu tief sitzt. Manchmal erfordert es schon sehr viel Mut, den Geburtsort wieder zu betreten. Aus meiner Erfahrung weiß ich, wie schwer, aber auch wie erleichternd dieser Weg sein kann. Als ich letztes Jahr Frauen bei der Rosen-Niederlegung begleiten durfte, erlebte ich, wie viel Auseinandersetzung es für die Frauen im Vorfeld bedeutete. Für diese Frauen war es ein bewegendes und heilsames Ritual.
Als diejenige, die Frauen therapeutisch begleitet die von den Folgen einer gewaltvollen Geburt betroffen sind, kann ich sagen: Es gibt nicht den einen, richtigen Weg!
Wenn du das persönliche Gespräch mit dem Personal deines Entbindungsortes suchst, hast du die Chance zu verstehen, was während der Geburt passiert ist. Und das kann enorm entlastend sein.
Gibt es einen Teil von dir, der sich auf den Weg machen will, aber es gibt Zweifel und Ängste? Lass uns gemeinsam darüber nachdenken, wie du diesen Schritt gehen kannst. Hier geht’s zum unverbindlichen Erstgespräch.
Die Balance zwischen Verständnis und Verantwortung
Der Roses Revolution Day mahnt uns, innezuhalten und nachzudenken. Er ist ein Aufruf, die Erfahrungen von Frauen ernst zu nehmen und gleichzeitig die Herausforderungen des geburtshilflichen Personals nicht aus den Augen zu verlieren. Es ist nicht immer einfach, die Balance zwischen Verantwortung und Empathie zu halten – aber es ist entscheidend.
Letztendlich geht es darum, dass wir alle – ob Hebamme, Doula, Gynäkologe/ Gynäkologin oder Therapeut:in – unseren Teil dazu beitragen, die Geburt für jede Frau so respektvoll und sicher wie möglich zu gestalten. Der Roses Revolution Day erinnert uns daran, wie wichtig es ist, miteinander zu sprechen, zuzuhören und Lösungen zu finden, die sowohl die Frauen als auch das geburtshilfliche Team entlasten.
Dieser Artikel beschreibt meine persönliche Perspektive und Sichtweise. Er basiert auf meinen Erfahrungen in der Begleitung von Frauen. Vielleicht sehen Sie einige Dinge anders? Lassen Sie uns darüber sprechen – ich freue mich auf den Austausch.